Weinland wächst

Der Morgennebel löst sich langsam auf, die Herbstsonne bringt das bunte Weinlaub zum Glühen und es duftet nach gebratenen Maroni. »Kest’n«, also Kastanien, sind es in der Südsteiermark, die am offenen Feuer so heiß gebraten werden, dass die Schale praktischerweise gleich verbrennt und abfällt. Dazu gibt es saftigen Sturm, den ersten Vorboten des neuen Weinjahrgangs.

Wer den Weinherbst mit allen Sinnen erleben will, der muss die Wanderschuhe schnüren und sich in die österreichischen Weinbauregionen aufmachen. Viel wird unter Weinfreunden über Terroir gesprochen. Nirgendwo kann man das Kleinklima, den Boden und das Wachstum besser erfahren als in den Weingärten selbst.

Weil Wandern aber auch hungrig und durstig macht, gibt es Labestationen mit Schmalz- und Liptauerbroten, frischem Sturm und gereiftem Wein der vorigen Jahrgänge. Erst zu Martini, also am 11. November, darf der Wein des neuen Jahrgangs auch offiziell getrunken werden. Natürlich wird auch schon davor Sturm und Jungwein genossen, aber die Weinbautradition will, dass es erst nach der Weinsegnung zu Martini »richtigen« Wein gibt.

Davor darf man daher auch nicht miteinander anstoßen und »Prost« sagen, man hilft sich dann mit »Mahlzeit« oder schelmischen Alternativen wie »Krixikraxi«.

Weingläser am Holztisch

Besonders viel Aufmerksamkeit widmet man der Weintaufe im Burgenland. Beim Martiniloben werden die Kellertüren geöffnet und der neue Jahrgang zur Verkostung angeboten. Es ist eine hervorragende Gelegenheit, sich einen Überblick über die Qualität und Ausprägung des neuen Jahrgangs zu verschaffen. Alleine in Gols, der größten Weinbaugemeinde Österreichs, warten über 80 Winzer auf Gäste. Lokale Gastronomen stimmen sich mit den Winzern ab und bieten saisonale Spezialitäten, allen voran das Martinigansl.

Auch in Buschenschänken und bei Heurigen werden die Früchte der hoffentlich reichen Ernte genossen. Der Herbst ist die Zeit der Erntedankfeste und der Weinfeste – alleine beim Weinherbst Niederösterreich gibt es rund 800 Veranstaltungen.

"Schade, dass man Wein nicht streicheln kann."

Kurt Tucholsky

Konkrete Routentipps

Holzweinfässer im Kellergewölbe

1. SÜDSTEIRISCHE WEINSTRASSE
Die hoch gelegene Weinstraße, deren südliche Straßenseite über einige Kilometer schon in Slowenien liegt, ist ein Eldorado für Weinwanderer. Fast in jeder Kurve wird Sturm ausgeschenkt und werden Kest’n (Maroni) gebraten.
Tipp: Weinwanderweg Ratsch-Ottenberg

2. RUNDWEG UM KITZECK
Der höchst gelegene Weinbauort Österreichs protzt mit schwindel-erregenden Steillagen und atem-beraubendem Panoramablick in alle Himmelsrichtungen. Man sieht bis nach Slowenien, ins Grazer Becken und auf die Koralm, die manchmal schon ein Schneehäubchen trägt.
Tipp: Weingut Felberjörgl

3. PURBACHER KELLERPARCOURS
Bei einer geführten Wanderung lernt man den historischen Ortskern von Purbach ebenso kennen wie drei ganz unterschiedliche Weinkeller, vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Bei den Verkostungen werden die regionalen Wein-spezialitäten vorgestellt und bei einer Hauerjause holt man sich neue Kräfte.
Tipp: Gut Purbach mit verboten guten Innereien