Doktor Wald hat Sprechstunde
Der Wald als Wundermittel der Natur
Fangen wir mit dem an, was wir wissen – oder besser gesagt, was die Japaner wissen. Ein Spaziergang im Wald ist ein Hilfsmittel der Natur: Blutdruck, Herzfrequenz und Cortisol-Spiegel (Stresshormon) sinken. Die Zeit im Wald fördert den Aufbau der weißen Blutkörperchen und stärkt somit das Immunsystem. Der Schlaf verbessert sich. Wichtig ist, Lärm und Stress der Stadt hinter sich zu lassen.
Die Idee dahinter: Wir Menschen sind reine Naturwesen. Umso mehr sprechen Körper und Seele darauf an, wenn man ihnen Natur zuführt. Dieser Umstand wurde bereits von Wissenschaftlern genauestens untersucht.
Auch im Ayurveda heißt es: Ein Drittel der Heilung kommt von der Natur, die einen umgibt.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Das Gute daran: Solche kraftspendenden Waldspaziergänge kennt man auch in Europa schon lange. Bereits der norwegische Schriftsteller Henrik Ibsen prägte den Begriff „Friluftsliv“. Das bedeutet „an der frischen Luft leben“. Der österreichische Literat Robert Musil meinte: „Leg dich an einem schönen oder auch windigen Tag in den Wald, dann weißt du alles selbst.“ Wie „funktioniert“ also ein Waldspaziergang? Das erklärt uns ein Profi aus Österreich: Fritz Wolf ist Österreichischer Waldbotschafter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Er betreibt die Almtaler Waldschule gemeinsam mit seinem Sohn Christoph Wolf und ist zertifizierter Waldpädagoge, Sensenmählehrer, Natur-, Landschafts- und Almführer.
„Lenke den Geist und die Aufmerksamkeit voll auf den Wald. Also auf die Gerüche, die Geräusche, die Lichtstimmungen, den Klang des Waldes, den Duft der Pflanzen. Wichtig ist, langsam zu gehen und nicht durch den Wald zu rennen. Und das Smartphone bleibt in der Wohnung oder im Auto“, erklärt er. Der Mensch trenne sich immer mehr von der Natur ab, im Wald könne man sich dieser langsam wieder annähern.
Auch die Nase spielt eine wichtige Rolle beim Waldspaziergang. Die Riechrezeptoren funken direkt ins limbische System, ins Urhirn des Menschen. Dort sitzt auch die Steuerung für Gefühle, über die Gerüche und Duftstoffe wie Pheromone entscheiden. Auch Pflanzen kommunizieren über Geruchsstoffe. Die ätherischen Öle, die ständig von den Bäumen des Waldes abgegeben werden, erreichen über unsere Haut und über die Lungen direkt die Körperzellen und übertragen die heilenden und stärkenden Wirkungen.
Gehen ist das neue Laufen
Die Neandertaler legten am Tag rund 15 Kilometer zurück – vermutlich viele davon im Wald. Die täglichen 15 Kilometer zu Fuß sind bei unserem heutigen Lebensstil allerdings kaum mehr machbar. 10.000 Schritte am Tag empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Das ist gut für Beinmuskeln, Gelenke, Knochendichte, Herz und Kreislauf. Sobald wir in Bewegung kommen, wacht der Körper auf. Das Stresshormon Cortisol wird abgebaut, Endorphine werden ausgeschüttet. Im Gehirn bilden sich neue Nervenbahnen. Unser Herz pumpt Sauerstoff in unser Gehirn und in unser Blut. Unsere Haut sieht frischer aus, wir bekommen mehr Energie. Und das Beste: Dafür müssen wir nicht einmal außer Atem geraten. All das passiert schon bei einem flotten Spaziergang, etwa in der Mittagspause. Im Wald geht es sogar noch schneller: Mindestens 20 Minuten sind das Maß der Dinge. Und das Allerbeste: Gehen können auch Menschen, die nicht laufen können oder wollen. Gehen Sie zwischendurch auch einmal ein paar Schritte rückwärts: Dadurch werden ganz andere Gehirnzonen aktiviert als beim Vorwärtsgehen. So trainiert der Spaziergang nicht nur den Körper, sondern auch Gedächtnis und Gleichgewichtssinn. Das ist „Forest Bathing“ – Englisch für „Waldbaden“: der bewusste Aufenthalt und das Entspannen im Wald. Oder auch „Waldness“ genannt –eine Komposition aus den Wörtern Wald und Wellness.
Der Wald ist günstig
Wir haben Glück: Österreich ist ein Land mit Wald – und dazwischen einigen Städten, Seen und Bergen. Es gibt in Österreich keinen Platz, an dem nicht in vernünftiger Zeitspanne ein Wald erreichbar ist. Und der positive Nebeneffekt: So ein Aufenthalt in der Krafttankstelle Wald kostet nichts.
Der Tourismus und der Wald
Neu sind auch die umfassenden Angebote dazu in Österreich. So bietet die Region Zirbitzkogel erste Waldbad-Tage an. Fernab von Feinstaub, Massentourismus und Transitrouten. Gäste spazieren barfuß durch den Zirbenwald, legen sich auf feuchtes Moos, schnuppern sich zwischen den Bäumen durch. Und atmen vor allem die gute Luft des Waldes ein. Auf Atemübungen wird hier besonders gesetzt. Das Dreitageprogramm des Vereins Naturpark Auszeit Zentrum setzt den Startpunkt für ein neues „Waldgefühl“.
Das Almtal in Oberösterreich ist die erste „Waldness-Destination"“ in Europa. Dort findet auch die Waldschule statt. Oberförster Fritz Wolf führt durch die Bäume. Wolf hat die Waldpädagogik nach Österreich gebracht und mehr als 1.000 zertifizierte Waldpädagogen ausgebildet. Letzter Tipp: Gehen Sie in den Wald, nachdem es geregnet hat. Wenn feuchtes Wetter herrscht, schwirren besonders viele der gesunden Stoffe in der Waldluft umher. Da atmen die Bäume im wahrsten Sinne des Wortes ein und aus.
"Waldness" und "Waldbaden" in Österreich
- Forest Bathing bei der Familie Preis in Kärnten
- Waldbaden im Naturparkhotel Lambrechterhof
- Waldness im Almtal
- Geführtes Forest Bathing in Seefeld
- Waldbaden im Naturhotel Hammerschmiede
- Waldbaden im Biohotel Daberer